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Digitalisierung und Diversity

Heute schreibe ich ein paar Zeilen über das IQ-Wahlpflichtmodul „Digitalisierung und Diversity“. Es fand online statt, am 14.07. – 15.07.2021, von 8:30 – 16:00 Uhr. Die Moderation lag bei meinem lieben Kollegen Asmus Nitschke. Ich war neugierig, wie Asmus die beiden Megatrends Digitalisierung und Diversity zusammendenken würde. Gerne hätte ich persönlich aktiv teilgenommen, aber das hat leider aus zeitlichen Gründen nicht geklappt. Nichtsdestotrotz konnte ich in kleineren Etappen folgen und teile gerne meine Eindrücke an dieser Stelle. 8:30 Uhr: Nachdem Asmus die Funktionalitäten von BBB übersichtlich aufgezeigt hat, beschreibt er seine Rolle als moderierende Begleitung , die den roten Faden zu halten und somit eine Klammer um die vielen externen Inputs zu legen versucht. Mir fällt sofort auf, wie gelassen Asmus (inzwischen) mit technischen Schwierigkeiten umzugehen weiß und somit gar keine Aufregung aufkommen lässt. Auch kümmert sich Angelo Kumar vom AFZ rührend, wie Asmus bemerkte, um Teilnehmende, die anfangs noch nicht ins System finden. In der nun folgenden Vorstellungsrunde können sich die 14 Teilnehmenden an einem kleinen Leitfaden langhangeln.

Insgesamt beschreiben sich viele der Anwesenden als digital-affin und eigentlich haben alle Apps, die ihnen am Herzen liegen, wie z.B. Messenger, Kalender oder ein bestimmtes Snipping-Tool. Die Möglichkeiten zum Abspielen von Musik und Hörspielen „mache sie glücklich“, hält eine Teilnehmende fest. Auch gebe ich gerne einen Buchtipp weiter, der sehr überzeugend rübergebracht wurde und mit ​dem ich daher bestimmt nichts falsch mache – auch wenn ich das Buch selbst (noch) nicht gelesen habe: Unsichtbare Frauen: Wie eine von Daten beherrschte Welt die Hälfte der Bevölkerung ignoriert. Insgesamt werden alle möglichen Hinweise sowie geplante Abläufe und Dokumente auf einem Padlet festgehalten, welches auch noch im Nachgang zum Stöbern einlädt. Die Institutionen der Teilnehmenden sind eigentlich allesamt mittenmang in der Digitalisierung, überall ist aber noch Luft nach oben, v.a. im Zusammenhang mit Diversity. So erzählt auch Asmus von einer Beschwerde, die sich auf unser Buchungssystem bezieht, welches nach wie vor nur Frau und Mann als Anrede kennt, nicht aber „Die Dritte Option“.

Weiter geht es mit einer kleinen Breakout-Runde, um in den Austausch zu gehen, welche Bedenken und Hoffnungen, ggf. auch Luftschlösser , die Digitalisierung mit sich bringt bzw. bringen kann. Im Anschluss widmen wir uns dem ersten Inputs von Birgit Berger und Angelo Kumar vom AFZ. Sie stellen in einer Art dialogischem Lehrgespräch vor: E-Government, Online-Zugangsgesetz, das Bremer Leuchtturm-Projekt ELFE, die Digitalisierungs-Strategie des Bremer Senats. Sie zeigen aber auch schonungslos auf, wo es überall klemmt bei der Umsetzung in der Bremer Verwaltung, auch in anderen Bundesländern.

Nach der Pause gibt es einen weiteren Impuls, nun von Rebecca Romppel, Mitarbeiterin beim Landesbehindertenbeauftragten, in der sogenannten Zentralstelle für barrierefreie Informationstechnik. Sie ist damit befasst, die Websites von Behörden und Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung in Sachen Barrierefreiheit genauer unter die Lupe zu nehmen und Verbesserungsvorschläge zu erarbeiten. Außerdem geht sie Beschwerden nach, die Menschen mit Beeinträchtigungen über fehlende Barrierefreiheit an sie herantragen. Ihre Ausführungen zeigen kenntnisreich und detailliert, wo überall Fallen lauern, wenn man das Thema Barrierefreiheit im Web ohne bzw. an den betroffenen Menschen vorbei organisiert bzw. gar nicht ernst nimmt. Die Institutionen der öffentlichen Hand sind nämlich gesetzlich dazu verpflichtet, bei ihren Veröffentlichungen im Web für Barrierefreiheit zu sorgen und sich auf ihrer Websites entsprechend auch zu „erklären“.

Die Abschlussreflexionen machen Lust auf den nächsten Tag. Der beginnt für den Moderator aber erst einmal mit einer Schrecksekunde: Beim Versuch, den virtuellen Schulungsraum zu betreten, erscheint eine Fehlermeldung des Systems: aus technischen Gründen leider nicht möglich. Schnell Notruf bei unserer IT-Administration. Dort wird festgestellt, dass ein Zertifikat abgelaufen ist. Die Behebung werde etwas dauern. Oh je. Erste Überlegung: schnell einen Plan B prüfen, wechseln auf ein anderes Videokonferenzsystem. Können aber alle Teilnehmenden noch rechtzeitig vor Beginn des Seminars per Mail benachrichtigt werden? Alles wird vorbereitet. Dann schellt das Telefon: Entwarnung aus der IT, alles funktioniert wieder, BBB läuft. Durchatmen. Und erst mal einen großer Schluck aus dem Kaffeepott nehmen.

Nach einer kleiner Morgen- und „Reste von gestern“- Runde widmen wir dann unsere Aufmerksamkeit Daniela Berger vom Senator für Finanzen. Ihr Thema (und Credo): „Perspektivwechsel Mensch“. Kennenlernen dürfen wir zunächst das Digitalisierungsbüro und die IT-Garage beim Senator für Finanzen. Dann schlägt Daniela – sehr gekonnt und so spannend wie anschaulich aufbereitet – den großen Bogen, nämlich den Technik- und Kulturwandel von den Anfängen der Computertechnologie über die „Rechenzentren in der Hosentasche“ bis zum Megathema von heute (und morgen): Künstliche Intelligenz (KI). Wo liegen Anwendungspotentiale moderner digitaler Technik für die öffentliche Verwaltung, wo aber auch Diskriminierungs- und Ausschlussrisiken (Beispiel: „rassistischer Seifenspender“ oder digitale Verfestigung von Bias bei der durch und durch männlich geprägten Personalauswahl von Amazon). Es entwickelt sich eine lebhafte Debatte. Auch bei KI gilt am Ende das Motto (weil von Menschenhand gemacht, programmiert und mit Daten gefüttert): „Shit in? – shit out!“ (Janina Kugel). ​

Lars Kaempf von der Medien-Agentur vomhörensehen stellt nach einer Kaffeepause das Projekt: Entwicklung eines VR-Tool für diversitätssensible Personalauswahl in der öffentlichen Verwaltung vor. Es macht neugierig darauf, Erkenntnisse zu gewinnen, was videogestützte VR-Technik für Personalentwicklung und Weiterbildung zu leisten vermag. Das auch überregional große Beachtung findende Projekt soll Personalverantwortliche später einmal dabei unterstützen, die besondere Situation eines Bewerbungsgesprächs aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten – mit dem Ziel, bewusster und sensibler mit – vielfach unbewussten – Diskriminierungsmustern umzugehen. Wir dürfen gespannt sein, wie das Tool funktionieren wird und sind gespannt auf die ersten Probeläufe in Schulungen. Für alle, die sich fragen, was VR genau ist, verweisen wir auf den folgenden Clip: https://www.youtube.com/watch?v=uMrTanwaTjQ

Apropos Clip, es gab es auch noch weitere Filmtipps. Gesammelt wurden sie auf dem o.g. Padlet. Um ein Beispiel zu nennen: Coded Bias – Vorprogrammierte Diskriminierung, ein Film zu rassistischen Algorithmen in der Gesichtserkennung. Vgl. auch den TAZ-Artikel: https://taz.de/Dekolonialisierung-von-Algorithmen/!5706540/

Das Projekt Qualifica digitalis lernen wir dann nach der Mittagspause kennen. Angelo Kumar stellt den Projektstand vor. Bei Qualifica Digitalis geht es vor allem um die Frage, was mit Digitalen Kompetenzen gemeint ist, wie sie ausgebildet und (weiter-) entwickelt werden können. Die Fragestellung ist eingebettet in das große Thema Digitalisierung der Verwaltungen. Es geht dabei nicht nur um die Einführung von mehr Technik, sondern auch um die Veränderungen in den Erwartungen der Bürger:innen, um neue Arbeitsformen, geänderte Arbeitsprozesse und -beziehungen. Für mehr Informationen hier die Projektseite: https://qualifica-digitalis.de/ und auch ein Hinweis zu einer Metastudie: https://qualifica-digitalis.de/wp-content/uploads/QD_Metastudie_20201005_barrierefrei_v5.pdf

Das Seminar endet mit einer Kleingruppen-Reflektion in break out sessions zur Frage des Transfers: Was kann ich selbst tun, wo gibt es in meinem beruflichen Handlungsfeld Ansatzpunkte, um den Prozess der digitalen Transformation diskriminierungsbewusster zu gestalten? Und wo und wie könnte ich Unterstützung dafür bekommen?

In der Abschussrunde betonen die Teilnehmenden ausnahmslos, mit dem zweitägigen ONLINE- Seminar sehr zufrieden gewesen zu sein, neue Erkenntnisse und Einblicke in ein höchst aktuelles Thema gewonnen zu haben. Der Moderator zieht für sich ebenfalls ein positives Resümee – und erinnert (passend zum Mega-Thema des Seminars!) daran, im Vorfeld dieser Online-Veranstaltung wieder einige Teilnehmende verloren zu haben, weil sie die technischen Voraussetzungen nicht erfüllen konnten oder aus anderen Gründen sich nicht in der Lage dazu sahen, zwei Tage digital den Inhalten der Weiterbildung zu folgen.

Gesa


Beitrag von: Dr. Gesa Friederichs Büttner